Eine Frage der Muskeln
Ganz gleich, ob man im Rollstuhl oder in Laufschuhen teilnimmt: Ein Erfolg auf der Strecke ist immer auch eine Frage des richtigen Trainings â und zwar nicht nur in Richtung Ausdauer.
von Michi Reichelt
Hast du dich schon einmal gefragt, wer einen Marathon schneller absolvieren kann? Ein Mensch im Rollstuhl oder einer, der die Strecke laufend bewÀltigt? Die Antwort ist eindeutig: der Rollstuhlfahrer. Mit groÃem Abstand. Die Weltrekord-Zeit im Rollstuhl-Marathon liegt bei 1:17.47, aufgestellt vom Schweizer Marcel Hug im November 2021. Zum Vergleich: Eliud Kipchoge benötigte bei seinem offiziellen, im Vorjahr aufgestellten Marathon-Weltrekord 2:01.09.
Tatsache ist also, dass Menschen im Rollstuhl lÀngere Distanzen deutlich schneller absolvieren können als Laufende. Aufgrund der höheren Beschleunigung aus der Ruheposition sind LÀufer auf Sprintdistanzen gegenÃŒber Rollstuhlfahrern im Vorteil. Ab einer LÀnge von 800 Metern wendet sich aber das Blatt âŠ
Gezieltes Training
Der Rollstuhl spielt hier natÃŒrlich eine wichtige Rolle. Mit einer Umdrehung der RÀder legen Fahrende eine, im Vergleich mit Laufenden, groÃe Distanz zurÃŒck. Die Athleten können auÃerdem beim Rollen sogar auf einer Geraden Kraft sparen, wÀhrend LÀufer permanent wertvolle Energie verbrauchen mÃŒssen. Insbesondere moderne High-Tech-RollstÃŒhle ermöglichen eine konstant hohe Geschwindigkeit.
Mindestens ebenso bedeutend ist allerdings der Faktor Mensch: Ohne entsprechendes Training bleiben nÀmlich auch Rollstuhl-WettkÀmpfer buchstÀblich auf der Strecke. Und damit ist nicht (nur) das Ausdauer-/das Kardiotraining gemeint.
Denn beim Training fÌr Menschen im Rollstuhl stehen Körpermitte und Oberkörper im Fokus. Entscheidend fÌr effektives Rollstuhlfahren ist insbesondere eine starke Arm- und Rumpfmuskulatur (Bauchmuskeln, Muskulatur der LendenwirbelsÀule); letztere sorgt fÌr StabilitÀt und ist nicht nur im Wettkampf die Grundlage fÌr den Vortrieb. Mittels Rotationstraining am Kabelzug wird die Körpermitte gezielt trainiert. IsolationsÌbungen mit Kurzhanteln wie Seitheben (Schultern), StirndrÌcken (Trizeps) und Bizepscurls trainieren die Arme beziehungsweise den Oberkörper. Push-Ups, bei denen man die HÀnde rechts und links vom Körper aufsetzt und diesen nach oben drÌckt, stÀrken die Oberkörper-Muskulatur ebenfalls.
Klar ist nÀmlich: Ein zielgerichtetes Workout ist die Basis jedes erfolgreichen Wettkampfes â ob man nun im Rollstuhl daran teilnimmt oder in Laufschuhen (Rollstuhl-Training mit Gewichten / Rollstuhl-Ãbung mit Widerstandsband). Krafttraining ist aber selbstverstÀndlich nicht alles. Die FunktionalitÀt der Muskeln hÀngt auch â wie bei allen Sportarten â von deren Beweglichkeit ab. So kann beispielsweise Rollstuhl-Yoga fÃŒr Entspannung sorgen.
Nur Laufen ist (nicht) Alles
Und was ist mit den Athleten in Laufschuhen? Nun, es wird wohl kaum ÃŒberraschen, dass LÀuferinnen und LÀufer insbesondere ihre Bein-und Unterkörpermuskulatur einsetzen: FuÃ-, Waden- und Oberschenkelmuskeln sind bei ihren Bewegungen ebenso entscheidend wie HÃŒftbeuger und GesÀÃmuskeln â aber nicht nur. So vergessen vor allem Hobbysportler oft, dass beim Laufen auch der Oberkörper mitspielt. Die Rumpf-, RÃŒcken- und sogar die Armmuskulatur wird dabei aktiviert; auch die Schultern spielen eine Rolle. Fazit: Der ganze Körper ist gefragt und das (frÃŒhere) Vorurteil, dass Laufen abseits der Sprintdistanzen nur etwas fÃŒr ausgezehrte, kraftlose Menschen ist, kann man getrost endgÃŒltig vergessen.
Welche Rolle spielt ErnÀhrung?
Viele LÀuferinnen und LÀufer konzentrieren sich bei ihrer Vorbereitung zwar aufs reine Lauftraining, um neben der Ausdauer ebenjene, oben erwÀhnte, Muskulatur zu stÀrken. Insbesondere kurze, schnelle Laufeinheiten und Sprints trainieren Bein- und Oberkörper-Muskulatur. Bei anderen aber stehen neben GrundÌbungen wie Kniebeugen, SchulterdrÌcken oder KlimmzÌgen auch IsolationsÌbungen (beispielsweise mit WiderstandsbÀndern) auf dem Trainingsplan, um gezielt Muskelpartien anzusprechen und aufzubauen. Krafttraining wirkt darÌber hinaus neuronal; das Gehirn lernt, die Muskulatur optimal zu aktivieren.
Die ErnÀhrung spielt beim Muskelaufbau ebenfalls eine groÃe Rolle; ein hoher Proteinanteil ist genauso wichtig wie Kohlehydrate und GemÃŒse. FÃŒr alle Sportlerinnen und Sportler, ganz egal, ob sie im Rollstuhl oder in Laufschuhen auf die Strecke gehen, gilt aber ohnehin: Das Training ist so individuell wie jeder selbst. Man sollte es zudem immer in RÃŒcksprache mit Profis durchfÃŒhren und stets genau auf den eigenen Körper und seine Signale hören. Und gerade fÃŒr Menschen mit QuerschnittslÀhmung gilt: Das Training auf die jeweiligen Möglichkeiten â je nach Höhe des Querschnitts sind die schlieÃlich gÀnzlich unterschiedlich â anpassen und mit einem eigens ausgebildeten Experten absprechen. Denn am Ende sollte es bei allen um eines gehen: die Freude am Sport.
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