Jeder Tag ist ein Bonus: Moritz Brückner im Interview

Moritz Brückner ist vieles: Rollstuhlrugby-Spieler, Motivationsredner, Podcast-Host und vor allem eine inspirierende Persönlichkeit. Nach einem Unfall musste er sein Leben völlig neu ordnen. Doch anstatt sich von den Herausforderungen entmutigen zu lassen, suchte er nach neuen Wegen, seine Stärken zu entfalten. Heute teilt er seine Erfahrungen, um anderen Mut zu machen und setzt sich dafür ein, dass Querschnittslähmung eines Tages heilbar ist. Im Interview spricht er über seine größten Herausforderungen, die Rolle des Sports in seinem Leben und seine Verbindung zur Stiftung Wings for Life.
Was war die größte Herausforderung, die du nach deinem Unfall überwinden musstest?
Die größte Herausforderung war, glaube ich, anfangs wieder Fuß zu fassen (kleiner Wortwitz!). Nach dem Krankenhaus musste ich wieder nach Hause zu meinen Eltern ziehen. Und da wurde es - anders als im Krankenhaus - sehr schnell, sehr ruhig. Mein Bruder war in der Schule, meine Eltern bei der Arbeit und ich ... naja, ich wurde ja nicht wirklich gebraucht oder geschweige denn beim Studium vermisst, dank Urlaubssemester. Und da habe ich mir einfach eigene Projekte, Aufgaben oder Arbeit gesucht. Ich habe Hilfsmittel erfunden, viel Sport gemacht, gelesen und sogar ein Jugendchorfestival organisiert, das nie stattgefunden hat. Aber allein dieses Gefühl von Produktivität war wichtig!
Welche Rolle spielt Sport für dich in deinem Leben?
Eine monumentale! Ich habe durch das Rollstuhlrugby sehr viel gelernt, habe mir Vorbilder gesetzt und wurde mehr als einmal aus meiner Komfortzone geschubst. Gott sei Dank! Teilweise bin ich selbst überrascht, was ich alles machen darf und wie viel da noch kommt!
Gab es Momente, in denen du an dir selbst gezweifelt hast? Wie hast du diese überwunden?
An mir selbst habe ich nie gezweifelt. Und das soll jetzt gar nicht so übermenschlich klingen. Aber ich habe mir nach dem Unfall schon die Frage gestellt, ob ich aufhöre oder weitermache. Und nach drei Sekunden des Nachdenkens, was das für meine Familie, meine Freunde und Bekannten bedeuten würde, war die Entscheidung klar. Ich bin 20 Jahre alt, habe noch nix von der Welt gesehen und bin noch lange nicht fertig. Und jetzt bin ich in meinem Bonusleben. Also jeder Morgen, an dem ich wieder aufwache, ist schon mal +1 Tag mehr - und daran gibt es nichts zu bezweifeln.
Moritz Brückner im Trikot der Deutschen Nationalmannschaft im Rollstuhlrugby. © Wings for Life World Run
Welche Veränderungen hast du an dir selbst festgestellt, seitdem du im Rollstuhlrugby aktiv bist?
Dass es muskuläre Veränderungen mit sich bringt, ist, glaube ich, keine Überraschung. Dass ich aber zudem sehr viel im Bereich Reisen, Selbstständigkeit und Gesundheit lernen konnte, wissen vielleicht nicht so viele. Gerade Autofahren, Hotelübernachtungen und sogar Fliegen habe ich primär durch den Sport gelernt und mir so geholfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen (noch ein Wortwitz!).
Was treibt dich an, deine Botschaften als Motivationsredner und Podcast-Host zu teilen?
Ich hatte mit meiner Versorgung, den Menschen um mich herum und im Allgemeinen sehr viel Glück. Das kommt leider nicht jedem zugute. Ich möchte den Leuten da draußen mitgeben, was ich durch meinen Unfall gelernt habe, was wirklich wichtig ist und dass jeder Einzelne seine Zeit nutzen sollte! Außerdem möchte ich das bisher größtenteils verstreute Wissen gezielt an Frischverletzte bringen und so bestenfalls aus Patienten wieder normale Kids, Jugendliche oder Erwachsene machen.
"Nutzt eure Zeit" - Moritz Brückner will Betroffenen Mut machen und sein Wissen weitergeben. © Wings for Life World Run
Wie setzt du dein Motto, alles aus deinem Leben herauszuholen, im Alltag um?
Wenig labern, mehr machen. Und das fällt mir tatsächlich selbst als Speaker gar nicht leicht. Aber Menschen sind schnell dabei, viel zu reden, und vergessen den praktischen Teil gerne. Meistens auch deshalb, weil das meistens Überwindung kostet und einen aus der Komfortzone herausholt. Es lohnt sich aber allemal!
Wie hilft dir deine eigene Geschichte, anderen Mut zu machen?
Ich weiß jetzt, worauf es ankommt. Bei meinem Unfall war es völlig egal, welchen Abischnitt ich hatte, wie viel Geld auf dem Konto lag und wie viele Freunde ich hatte. Das Leben hat manchmal einfach seine eigenen Pläne, und in dem Spielraum, den wir haben, sollten wir das Maximum herausholen.
Wie bist du erstmals mit der Stiftung Wings for Life in Berührung gekommen?
Bereits in der Klinik wurde ich schon von einem Arzt darauf aufmerksam gemacht und im Zuge eines Interviews habe ich vom Wings for Life World Run gehört, bin gleich heiß geworden!
Was hat dich am Wings for Life World Run begeistert?
Das einzigartige Konzept des Laufs. Hier geht es nicht primär um die sportliche Leistung, sondern um die Stimmung vor Ort. Jeder Athlet weiß sehr genau, für wen oder was sich hier alle treffen.
Andreas Wellinger und Moritz Brückner beim Wings for Life World Run 2024 in München. © Wings for Life World Run
Gab es einen Wings for Life World Run, der dich besonders berührt hat? Welche Momente bleiben dir unvergesslich?
2024 durfte ich mit dem großartigen Andi Wellinger im Catcher-Car sitzen und jeden einzelnen Läufer anfeuern und danken. Gerade der 11-Jährige bei der 22-km-Marke oder der Opi bei den 43 km haben mich schwer beeindruckt, weil ich mir da einfach nur dachte: "Was machst du hier?" Außerdem war ich von Andi beeindruckt, weil er bei jedem Stopp, egal mit wie vielen Reportern, Journalisten und anderen wichtigen Menschen um ihn herum, immer zuerst meinen Rollstuhl aus dem Kofferraum geholt hat. Darum hat ihn keiner gebeten - das war 100 Prozent er.
Was würdest du jemandem sagen, der noch zögert, beim Wings for Life World Run am 4. Mai mitzumachen?
Warum? Also wovor hast du Angst? Das Schwerste ist vermutlich die simple Anmeldung. Ab da an heißt es genießen und Erinnerungen aufsaugen. Beim Lauf gibt jeder das, was er kann. Egal ob Marathonlauf, Joggingsession oder Spaziergang. Nimm dein Tempo, das dir guttut, und wachse über dich hinaus! Und das alles mit dem Wissen, dass du gerade einen Mini-Bruchteil dazu beigetragen hast, dass zukünftige Querschnittslähmungen mitunter wegen dir geheilt werden können.